In den letzten Jahren erfreuen sich CBD-Produkte wachsender Beliebtheit. Kenner wissen hierbei die vielseitigen medizinischen Aspekte bei niedriger psychoaktiver Wirkung zu schätzen. Wenige jedoch kennen die Prozesse, die hinter der Herstellung stecken. Wie wird aus unserem allseits bekannten Hanf überhaupt das Öl hergestellt, welches häufig die Grundlage von CBD-Produkten ist?

Hanf trifft Fortschritt

Wir haben hinter die Kulissen geblickt. Nicht Magie sondern CO2 ist das richtige Stichwort. Dies wird für ein hochkomplexes Verfahren zur Trennung bestimmter Stoffe genutzt, in den wir Einblick geben wollen.

Nicht nur für Cannabisöl

CO2-Extraktion bedeutet grob: Das „Herausziehen“ bestimmter Stoffe aus einem Rohstoff mittels Kohlenstoffdioxid. Wir nutzen also das was wir ausatmen, um Cannabis die Wirkstoffe zu entziehen, auf die wir es abgesehen haben. Schon 1879 begannen Forscher mit ersten Versuchen. Auf Grund fehlender Möglichkeit zur praktischen Umsetzung wird es aber erst seit rund vierzig Jahren auch industriell genutzt [2,6,11]. Nicht nur Cannabis-Extrakte, sondern auch z.B. Koffein und Aromastoffe werden so gewonnen. Nicht umsonst nutzen die Pharmazie-, Chemie- und Lebensmittelindustrie dieses Verfahren [1,2,11]. Es gibt zwei Arten der CO2-Extraktion: Unterkritische und über-/superkritische.

Was ist der unterkritische Zustand?

Obwohl der Fokus in diesem Artikel auf der Verwendung der überkritischen Methode liegt, stellen wir Euch auch die Extraktion mit unterkritischen Lösungsmitteln kurz vor. Wie im Phasendiagramm (Bild.1) zu sehen ist und der Name schon andeutet, bezeichnet der unterkritische Zustand den Bereich unter dem entscheidenden Punkt. Bei unterkritischen Extraktionen wird mit Kohlenstoffdioxid in seinen flüssigen Zustand niedrigerem Druck und geringerer Temperatur gearbeitet. Dieser „sanftere“ Prozess hat aber mit ca. 10-40 Durchgängen auch eine längere Extraktionszeit als der superkritische mit ca. 3-10 Durchgängen. Außerdem werden Wachse und andere komplexe Moleküle nicht in gleichem Maße gelöst, was einen geringeren Ertrag zur Folge hat. Der Vorgang schont jedoch temperatursensible Öle und Terpene [12].

Und der überkritische Zustand?

Mit dem überkritischen Zustand bezeichnet man in der Thermodynamik jenen Zustand, in dem sich die Gas- und Flüssigphasen eines Stoffes angleichen und zu einem homogenen Aggregatzustand werden, also über dem kritischen Punkt liegen. Der dort herrschende Druck verdichtet die Moleküle des Lösungsmittels und mit Regulierung der Temperatur wird schließlich der gewünschte Zustand erreicht. Bei Kohlenstoffdioxid liegt dieser bei ca. 74 bar und 31,1°C (Bild.1). Zum Vergleich: die Reifen eines Golfs haben nur plus minus 3 bar. Ab hier wird das superkritische Lösungsmittel, welches durch Feineinstellung des Drucks und der Temperatur in seiner Löslichkeit verändert werden kann, Stoffe lösen [6,9,10,11,12].

Im überkritischen Zustand wandeln sich die Eigenschaften des Lösungsmittels um die Vorteile der Gas- und Flüssigphase zu vereinen.

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Das hat ein schnelleres Massetransportverhalten (den Transport von Masse pro Zeiteinheit) zur Folge und trägt durch erleichterte Stoffübergangsprozesse enorm zur effizienten Lösung von Inhaltsstoffen bei [4,11].

Allgemein gilt: Je höher der Druck, desto stärker ist das Lösungsmittel. Jedoch sollte dabei bedacht werden, dass dadurch auch die Selektivität des Lösungsmittels leidet. Durch das aggressivere Verhalten kommt es zu einer Extraktion von weiteren Molekülen, die mitunter unerwünscht sind. So wurde in einer Studie, welche die Faktoren der superkritischen CO2-Extration untersuchte, festgestellt, dass ein Druck von 340 bar und eine Temperatur von 54,85 °C den höchsten Gesamtertrag erzielt. Dabei ist zu beachten, dass dies auch einen höheren Anteil an nicht erwünschten Stoffen zur Folge hat. Durch die Anpassung des Drucks auf 130 bar bei gleicher Temperatur zeigte sich, dass so der THC-Gehalt im Extrakt maximiert werden kann. Es lässt sich also durch Veränderungen in Temperatur und Druck steuern, welche Stoffe extrahiert werden sollen [10].

Vorgang des superkritischen CO2 -Extraktionsverfahrens

Grundsätzlich kommt es bei der superkritischen CO2 -Extraktion auf zwei Schritte an:

  1. Das Lösen der gewünschten Stoffe aus dem Cannabis
  2. Trennung des dabei gewonnenen Extrakts vom Lösungsmittel

Vorab müssen das Pflanzenmaterial oder das Öl decarboxyliert werden, wobei die inaktiven Cannabinoide durch Wärmeenergie von einer Säuregruppe getrennt werden und so in den aktiven Zustand übergehen. Zudem sollte das Pflanzenmaterial weitgehend von Feuchtigkeit befreit werden um die Bildung von Kohlensäure, welche beim Kontakt von CO2 und Wasser entsteht, zu vermeiden [12].

Im ersten Schritt wird flüssiges Kohlenstoffdioxid aus dem Reservoir in die Extraktionskammer gepumpt, um den kritischen Druck zu erreichen. Es wird auf die kritische Temperatur gebracht und trifft dann im überkritischen Zustand auf das Pflanzenmaterial. Jetzt beginnt das Kohlenstoffdioxid damit Cannabinoide, Terpene und andere Stoffe aus den Pflanzenmaterial zu lösen. Um das CO2 von den gelösten Stoffen zu trennen, wird die Mischung in die Separationskammer geleitet. Im Rahmen des zweiten Schrittes werden nun die Bedingungen so geändert, sodass das jetzt gasförmige, CO2 vom Extrakt getrennt wird. Es wird anschließend im Kondensator wieder verflüssigt um es in das Reservoir, und damit in den Kreislauf, zurückzuführen. Das gesammelte Extrakt kann dann entnommen und weiterverarbeitet werden [6].

Hier ist aber oft noch nicht Schluss. Nach der regulären Extraktion wird oft noch eine zweite Extraktion mittels weiterer Lösungsmittel wie Alkohole angewendet, die man „winterizing“ oder auch „dewaxing“ nennt. Dies geschieht entweder direkt im Extraktor, in einem sogenannten „inline-winterizing“, oder erst später. Dabei wird das Konzentrat außerhalb mit einem weiteren Lösungsmittel vermischt, erhitzt und anschließend bis zu 48 Stunden tiefgekühlt. Dadurch werden verschiedene ungewünschte Stoffe wie Wachse, Glyceride und ungesättigte Fettsäuren vom gelösten Extrakt getrennt und können herausgefiltert werden. Zu guter Letzt wird das Ethanol im Vakuum abgedampft [7,8,12].

Pro und Contra des superkritischen Exktrationsverfahren

Gehen wir noch kurz auf die Vor- und Nachteile ein, die dieses Verfahren bietet. Vorneweg ist zu nennen, dass das Verfahren als „generally recognized as safe“, also von der amerikanischen Food and Drug Administration als unbedenklich, eingestuft wird [6,10]. Es ist, anders als manche anderen Lösungsmittel (z.B. Ethanol oder Butan), nicht brennbar, hat antimikrobielle Eigenschaften [3] und löst sich im Gegensatz zu Butan vollständig vom Extrakt [11,12].

Auch die Umwelt freut sich über die Nutzung von CO2 als Extraktionsmittel. Es fällt ohnehin in der Industrie als Nebenprodukt an, kann wiederverwendet werden und ist durch die Aufwendung nur geringer Temperaturen energiesparend [1,6,11]. Im Gegensatz zu organischen Lösungsmitteln, die hohe Anschaffungskosten und strenge Umweltvorschriften bedeuten, ist die Extraktionsmethode außerdem günstig im Unterhalt, was recht hohe Anschaffungskosten wieder wettmacht [1].

Leider hat eine Studie erwiesen, dass Extrakte aus superkritischem CO2 im Vergleich mit Cannabisblüten eine geringere Konzentration an Monoterpenen, wie z.B. Pinen oder Limonen aufweisen, was die Wirkung im Hinblick auf den Entourage-Effekt, also das Zusammenwirken von Cannabinoiden und Terpenen, verändert. Wir weisen auch darauf hin, dass durch die Extraktion auch der Cannabinoidgehalt so stark steigen kann, dass es neuer Studien bedarf, die sich mit der Wirkung solcher Konzentrationen auf den menschlichen Körper auseinandersetzen [5]. Die Hobbybastler unter Euch, die gerade schon ihr nächstes Projekt planen, wollen wir bei dieser Methode auf die Gefahr von der unsachgemäßen Arbeit mit wirklich hohem Druck hinweisen: Don’t try this at home!

Also?

Die Verwendung von hochkritischem CO2 ermöglicht es ein sauberes Extrakt aus Rohstoffen herzustellen und dabei sowohl für die Natur als auch den Menschen ungefährlich zu sein. Durch die Möglichkeit zum Feintuning ist diese Methode nicht nur, aber auch für die Herstellung von CBD-Extrakten zu empfehlen.

Wir hoffen, wir konnten einen Einblick in die ertragsreiche und faszinierende Verbindung von Hanf und wissenschaftlichem Fortschritt geben. Wenn Ihr das nächste Mal Cannabis-Öle, Aromastoffe oder entkoffeinierten Kaffee konsumiert, denkt Ihr vielleicht daran. PS.: Die Anschaffung einer Extraktionsmaschine für den Hausgebrauch lohnt sich aus Kostengründen kaum.

[su_spoiler title=”Quellenangaben” icon=”arrow”][1] Rawson, A., Tiwari, B. K., Brennan, C., Cullen, P. J., & O’Donnell, C. P. (2012, 21. Februar). Application of Supercritical Carbon Dioxide to Fruit and Vegetables: Extraction, Processing, and Preservation. Abgerufen von https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/87559129.2011.635389 [2] Mansoori, G. A., Schulz, K., & Martinelli, E. E. (1988, 1. April). Bioseparation Using Supercritical Fluid Extraction/Retrograde Condensation. Abgerufen von https://www.nature.com/articles/nbt0488-393 [3] Dixon, N. M., & Kell, D. B. (1989, August). The inhibition by CO2 of the growth and metabolism of micro-organisms.. Abgerufen von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2509409 [4] Aladi´c, K., Jarni, K., Barbir, T., Vidovi´c, S., Vladi´c, J., Bili´c, M., & Joki´c, S. (2015, 15. Dezember). Supercritical CO2 extraction of hemp (Cannabis sativa L.) seed oil. Abgerufen von https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0926669015302405 [5] Sexton, M., Shelton, K., Haley, P., & West, M. (2017, 19. September). Evaluation of Cannabinoid and Terpenoid Content: Cannabis Flower Compared to Supercritical CO2 Concentrate.. Abgerufen von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28926863 [6] Mendiola, J. A., Herrero, M., Castro‐Puyana, M., & Ibáñez, E. (2013). Supercritical Fluid Extraction. In Royal Society of Chemistry (Hrsg.), Natural Product Extraction: Principles and Applications (S. 196-230). doi:10.1039/9781849737579-00196 [7] Bjorncrantz, W. (2015). Winterized crude cannabis extracts and methods of preparation and use. Abgerufen von https://patents.google.com/patent/US9333229B2/en [8] ApeksSupercritical. (2017, 1. Mai). Apeks Supercritical Video Training Series: Winterization Class Spring 2017 [Video]. Abgerufen 25. Februar, 2018, von https://www.youtube.com/watch?v=jbn9-JQgw28 [9] Tobiszewski, M., Mechli´nska, A., & Namie´snik, J. (2010). Green analytical chemistry—theory and practice. Chemical Society Reviews, 39(8), 2869-2878. doi:10.1039/B926439F [10] Rovetto, L. J., & Aieta, N. V. (2017). Supercritical carbon dioxide extraction of cannabinoids from Cannabis sativa L. plant material. The Journal of Supercritical Fluids, 129, 16-27. doi:DOI: 10.1016/j.supflu.2017.03.014 [11] Swodersky, P. (o.D.). Hochdruckextraktion mit Kohlendioxid als Lösemittel. Abgerufen von http://physchem.hs-merseburg.de/SCFE_Swidersky.pdf [12] Rosenthal, E., & Downs, D. (o.D.). Co2 Extracts – Making Concentrates. Piedmont, USA: Quick American[/su_spoiler]